„Die Bühne ist das Experimentierfeld der Musiker, das Konzert ihr Augenblick der Wahrheit.“ ―Herbie Hancock


»Gut, dann ist alles klar, bis gleich!«, sage ich und nehme einen kleinen Happen von meinem Butterbrot. Die anderen richten noch ihre Noten auf dem Pult zurecht, dann verlassen sie den Saal. In ungefähr 20 Minuten wird das Publikum hereingelassen, ich muss also schnell sein. Während sich alle umziehen, bleibe ich zurück, um das Cembalo zu stimmen – das zweite Mal an diesem Konzerttag, und es wird nicht das letzte Mal sein.

Ich habe mich daran gewöhnt, als Cembalistin an Konzerttagen wenig Pausen zu haben. Ich muss heute vor dem Konzert nur nachstimmen, danach gehe ich hoch in die Umkleide zu den anderen. Kurze Zeit später sitzen wir zu fünft auf der Treppe hinter dem Saal, um auf das Zeichen der Veranstalterin zu warten.

»Maria, das musst du unbedingt probieren«, sagt Johanna und reicht mir ein kleines Stück Bitterschokolade. Die Schokolade schmilzt in meinem Mund. Zartbitter ist die einzige Schokolade, die ich aushalten kann. Ich drehe mich zu den anderen um. Sarah bricht winzige Kacheln von ihrer Tafel ab. »Ich nehme immer kurz vor dem Konzert noch 'ne schwarze Schoki. Wer noch?« Ausgestreckte Hände, strahlende Gesichter. Die Veranstalterin späht durch die Tür. »Sind Sie soweit?« Wir stehen auf.

»Dann toi, toi, toi«, sage ich, und Sarah lässt die restliche Tafel Schokolade in ihrem Konzerttäschchen verschwinden.

Ein kleines Konzertritual, das ich mal miterleben und auch mitmachen durfte. Konzertrituale sind so persönlich und doch, manche von ihnen so universell! Viele Musiker pflegen Rituale vor einem Konzert: Sie stärken unsere innere Verfassung vor einem Auftritt – und darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Jetzt, wo so langsam alles wieder beginnt, und passend zu meinem Artikel mit den 21 Übetipps, habe ich hier 21 Impulse zusammengetragen für eine gelungene Konzertvorbereitung – was wir im Vorfeld beim Üben tun können, wie wir uns im Alltag gut auf den Auftritt vorbereiten, und einige Anregungen für denselben Tag des Konzerts. Frei basierend auf meiner eigenen Erfahrung und der Kollegen, mit denen ich gespielt habe. Findest du deine eigenen Rituale auch darunter oder vielleichts sogar neue zum Ausprobieren? Du kannst mir gerne schreiben und dein eigenes Ritual beitragen, dann füge ich es unten noch hinzu. Viel Freude beim Entdecken und inspirieren lassen!


Das Üben in den Tagen / Wochen / Monaten vor dem Konzert

1. Den Unterschied zwischen Üben vs. Konzert erkennen

Ich falle einfach mal direkt mit der Tür ins Haus, ähem. 😬 Es besteht die verbreitete Meinung, dass wenn etwas beim Üben klappt, das auch auf der Bühne klappen sollte. Das schließt jedoch das wie aus, d.h. in welcher Verfassung wurde geübt, und was genau wurde da geübt? Das heißt, die Vorspielsituation spiegelt eigentlich unser Bewusstsein beim Üben wieder. Bestimmte Verspannungen bleiben im gewohnten Umfeld unbemerkt und erscheinen erst beim Auftritt. Das drückt sich in Verspannungen aus, die wir beim Üben sonst nicht bemerken, oder in Lampenfieber, oder in Stellen, die auf einmal nicht mehr klappen, oder in Blackouts – dass wir nicht mehr weiter wissen, obwohl wir das Stück sehr viel gespielt haben.

Wie Hancock im obigen Zitat sagt – am Ende ist das Konzert der Moment der Wahrheit. Hancock meint eigentlich, Musiker können im Konzerts etwas erleben, das für den Augenblick wahr und schön sein kann. Doch auch im Sinne der Transparenz zeigt die Bühne auf, was wirklich gerade passiert. Auf der Bühne werden wir immer das erleben, was wir geübt hatten – die Bühne lügt nie. Es können mal Wunder passieren – aber ich würde mich nicht auf sie verlassen. Um zu vermeiden, dass Unerwartetes passiert, können wir mit gezielten Strategien unsere Aufmerksamkeit beim Üben lenken und lernen, uns besser zu konzentrieren. Dafür gibt es zum Beispiel hier einige gute Tipps von mir.


2. Uns unserer Gedanken bewusst werden

Viele Musiker kennen das, dass beim Üben die Gedanken manchmal abschweifen, und dann gibt es noch die Gedanken, die einen daran erinnern, was man noch nicht so gut gemacht hat, oder lobende Gedanken, oder „gleich kommt die eine Stelle“, und so weiter. Manchmal kommt es einem vor, als sei der eigene Kopf lauter als ein türkischer Basar – und dann sind wir definitiv nicht bei der Musik. Doch es gibt Wege mit den Gedanken umzugehen, beispielsweise habe ich hier einen Beitrag mit 7 kreativen Strategien für den Umgang mit dem inneren Kritiker.

Es kann ebenfalls hilfreich für die Konzentration sein, unser Üben im Voraus zu planen. Damit meine ich, dass wir innerhalb einer Übesitzung ganz genau definieren, was wir erreichen wollen. Studien haben ergeben, dass es tatsächlich Auswirkungen auf unsere Konzentration hat, wenn wir vor dem Ausführen einer Tätigkeit im Vorfeld angeben, was wir mit ihr erreichen möchten.


3. Sinnlichkeit einladen

Die vielen Gedanken lassen sich auch durch eine sehr einfache, aber effektive Maßnahme lenken: indem wir uns immer wieder auf die Sinneswahrnehmung zurückbringen. In einem kurzen Video über den Inneren Kritiker und unsere Klangqualität gebe ich beispielsweise einen Hinweis dazu: Der Versuch, nur den nächsten Klang etwas resonanzreicher zu machen, kann uns direkt in ein sinnliches Musizieren reinbringen. Unser Gehirn kann nicht beides wahrnehmen: die Kritik und die Klangqualität. Was wird es also werden? Es liegt wirklich in unserer Entscheidung, jeden Augenblick.


4. Am Tag vorher viel üben, am selben Tag eher wenig

Einer früheren Lehrerin von mir war das mal passiert, dass sie am Tag ihrer Klavierabschlussprüfung sehr gut geübt hatte – aber die Prüfung solala verlaufen war. Sie hatte daher quasi ihr ganzes »Fass« verpulvert – und war zur Prüfung quasi emotional ausgelaugt angekommen. Ich hatte das ganz am Anfang meines Weges mitbekommen und begann bald, mit einigen Kombinationen zu experimentieren. Die effektivste Strategie verriet mir die Konzertpianistin Diana Baker, bei der ich ein privates Zusatzstudium absolviert hatte: Am Tag davor viel zu üben, am selben Tag eher wenig, um das Gehirn und den Körper noch einmal mit der Musik zu verbinden, aber nicht genug, um es auszulaugen. 😅 Machte für mich damals sofort Sinn, und seitdem ist das ein fester Bestandteil meines Rituals.


5. Auch der Auftritt möchte geübt werden

Üben kann das Spielen vor Publikum eben zu einem gewissen Punkt nicht ersetzen: Manche Dinge können nur vor einem Publikum geübt werden. Aus diesem Grund empfehle ich, so viele Probe-Auftritte wie möglich zu organisieren, und selbst, wenn es vor den Nachbarn ist oder den besten Freunden. Ganz wichtig, damit wir in die Situation kommen, wieder vor Menschen zu spielen. Bei jedem Probe-Auftritt können wir etwas Neues über uns selbst lernen, und bis wir dann an den eigentlichen »Moment der Wahrheit« kommen, liegen schon viele gelungene kleine Auftritte hinter uns.


6. Noten sauber einrichten

Pianisten, Cembalisten und andere Tastenspieler werden wahrscheinlich gerade mit dem Kopf nicken. Jedenfalls beim Cembalo gehört das zu den wichtigsten Tätigkeiten vor einem Konzert: das berühmte Noten-Kleben! Als Cembalistin spiele ich fast nur aus gescannten Handschriften aus irgendwelchen Staatsbibliotheken, daher gibt es viel Papier bei uns in der Alten Musik. Doch auch andere Instrumentalisten sollten hier weiterlesen, denn ich habe schon des Öfteren erlebt, wie eine falsche Anordnung der Noten so mache Kolleginnen der Abteilung Melodieinstrumente in kurze, intensive Stressmomente gebracht hat. Kleben von Ausdrucken kostet in der Regel 5 bis 10 Minuten Zeit, und man kann die Sammlung von Kopien auch lochen und in einen Hefter einsortieren. Danach hat man nicht nur alles in der richtigen Reihenfolge, sondern ist vor Windfällen geschützt, und das Umblättern zwischen Stücken geschieht elegant. Ich finde es eine super Sache, um am Tag des Konzerts unsere wertvolle Energie wichtigeren Dingen zu verbringen.

Thema digitale Noten: Viele meiner Kollegen benutzen mittlerweile ein Table als Anzeige von Noten. Das ist bestimmt sehr praktisch und bietet die Möglichkeit, die Reihenfolge der Konzertstücke zu sortieren. Eine super Alternative – hast du Erfahrungen damit? Noten digital oder auf Papier?


Der Alltag in den Tagen / Wochen / Monaten vor dem Konzert

7. Bewegung als Ausgleich nutzen

Es war lange Zeit eines meiner Tricks, als ich mit den Prüfungen am Klavier begann, um mein Lampenfieber in Schach zu halten: Ich stellte fest, dass wenn ich die Woche vor einer Prüfung meinen Gang verlangsamte, ich insgesamt ruhiger war. Einfach nur ein bisschen langsamer gehen – ein erster Schritt Richtung Mindfulness 😅 Damit begann ich zu erfahren, wie sehr wir mit der Art uns zu bewegen Prozesse im Körper anstoßen oder eben umleiten können. Mittlerweile weiß ich: Größeres Zittern beim Lampenfieber zeugt von einer nicht entladenen Spannung im Körper. Mein Weg damals war es, über eine Verlangsamung der Gehgeschwindigkeit diese Spannung gar nicht erst „aufkochen“ zu lassen. Überhaupt kann Bewegung sehr hilfreich sein, den Körper weich und geschmeidig zu haben, und diesem Spannungsmuster entgegenzuwirken: zum Beispiel mit den Körperübungen der Resonanzlehre (sogenannte Klangbewegungen).


8. Den gelungenen Auftritt visualisieren

Ich bin ein großer Fan von der Arbeit von Dr. Joe Dispenza. Über Visualisierung gibt es ja mittlerweile viel Information – Dr. Joe bringt dieses Thema sehr gut strukturiert einem großen Publikum nahe – inklusive wissenschaftsbasierter Erkenntnisse. In seinen Büchern schreibt er Seite um Seite über die Fähigkeiten des Gehirns, neue Muster zu erlernen. Diese kann man beispielsweise mittels einer Meditation oder einer Visualisierung im Gehirn neu verankern. Indem man also übt, nicht mehr die Persönlichkeit zu sein, die man gerade ist, sondern eine neue Persönlichkeit, die andere Dinge tut und daher andere Erlebnisse hat, kommt man dahin, sich eine neue Realität zu erschaffen. Dieses Thema finde ich gerade sehr spannend – allgemein auch für andere Lebensbereiche als das Konzert.


9. Eine Mediationspraxis aufbauen

Immer, wenn ich regelmäßig meditiere, bin ich allgemein ausgeglichener und treffe die besseren Entscheidungen. Meditieren, zusammen mit Bewegung ist das Nummer Eins, was mich zu mir selbst zurückbringt. Das heißt, indem wir meditieren, erschaffen wir in uns einen Raum, wir beginnen, unseren eigenen Körper zu bewohnen. Wer sonst soll denn da auf die Bühne? Die Menschen wollen uns hören, nicht jemand anderem. Ich finde, unser Job als Künstler besteht darin, zu ermöglichen, dass wir so viele Bereiche in uns selbst bewohnen wie nur möglich. Wenn wir dann in unserem Potenzial auf der Bühne erscheinen, das sind die Momente, bei denen wir unserem Publikum wirklich begegnen. Das bedeutet, auch durch inneren Fokus kommt eine körperliche Präsenz.


10. Eine Packliste für den Tag des Konzerts führen

Eines meiner persönlichen Lieblingstipps: Seitdem ich ein Bullet Journal führe, habe ich die Erfahrung gemacht, wie eine einfache Checkliste später viele Enttäuschungen und Stress vermeidet. An Konzerttagen erlebe ich mich nämlich oft ein bisschen neben der Spur und kann einfach auch vergessen, etwas zu essen oder zu trinken mitzunehmen. In meinem Fall geht es weniger um Lampenfieber, sondern darum, mein Cembalo möglichst knitterfrei von der Stelle zu bewegen. Ich bekomme beim Transport jedes Mal Herzklopfen! Meine Lösung war bald, eine Konzert-Packliste zu führen: Einfach alles abhaken, was ich da geschrieben habe, und später am Konzertort bin ich jedes Mal froh, alles dabei zu haben, was ich brauche: eine Notenpultlampe kam zuletzt hinzu. Außerdem dürfen bei mir keine Snacks, Wasser und ein Butterbrot fehlen. Und der Klassiker: Konzertschuhe! Wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ich so etwas vergesse. Lauter so Dinge, um die ich später dankbar war! 😅 Was gehört denn für dich auf die Konzert-Packliste?


11. Schreiben, nur für dich

Mittlerweile ist Schreiben für mich auch ein Ort geworden, um Spannungen loszuwerden. Tagebuchschreiben im Besonderen finde ich für mich eine wichtige Praxis. Am selben Tag merke ich nicht so viel, aber mit der Zeit stellt sich eine Ruhe ein und das Gefühl, etwas aus meinem Kopf herausgebracht zu haben. Eine Abwandlung davon sind die Morning Pages nach der Künstlerin Julia Cameron. Diese bestehen darin, morgens drei Seiten per Hand zu schreiben, gleich nach dem Aufstehen, einfach alles raus, ohne darüber nachzudenken. So bringen wir wieder ein wenig Schwung in unsere Gedanken und können sie auf dem Papier festhalten. Dieses Festhalten der Gedanken ist insofern hilfreich, als dass sie bei Tageslicht sichtbar sind und nicht im Dunkeln ihr Unwesen treiben – denn sie sind nun mal da! Erstmal aufs Papier gebracht, hören sie meistens auf, uns zu nerven. Probiere es mal aus?


12. Essen vorkochen oder Lieferdienste nutzen

Gerade an Konzerttagen tendiere ich aus Zeitgründen dazu, eher irgendwas zu essen, was gerade eben da ist und nicht auf meine Ernährung zu achten. Eigentlich schade, denn wir können uns mit frischer Kost gerade an diesen Tagen so viel Gutes tun! Deswegen habe ich es mir angewöhnt, vor intensiven Arbeitsphasen wie einem Konzert entweder gesund vorzukochen, Lebensmittel vorzubereiten oder bei Lieferdiensten zu bestellen. Dann ist das eine Sache weniger, an die ich beim Konzerttag denken muss und ich kann eine gute Mahlzeit genießen, ohne mir Zeit vom Tag wegzunehmen. Tipp: In eine Futterdose eine Portion einpacken für direkt nach dem Konzert. Dein späteres Ich wird sich riesig freuen! 😅


Der Tag des Konzerts

13. Führe deine Routinen weiter fort

Wir Menschen leben in Rhythmen: Tag und Nacht, die Jahreszeiten, der Wochenrhythmus sind nur ein paar Beispiele davon. Rhythmen geben uns ein Gefühl für Zeit, und ich wage zu behaupten, sie entspannen uns. Routinen sind ein Weg, Rhythmen in den Tagesablauf zu bringen, und uns Sicherheit zu geben. Am Tag des Konzerts sind es unsere bestehenden Routinen, die uns mit unserer Umgebung verankern. So manches Mal möchten wir sagen »Ach, heute nicht!« und dann nicht meditieren, oder uns bewegen, etc. Doch nimm dir gerade an solchen Tagen Zeit für dich – denn vielleicht gehst du dann ein bisschen gestärkter ins Konzert als wenn du es nicht getan hättest. Je länger du an Routinen bist, desto leichter wird es dir fallen, an Konzerttagen es einfach weiter zu machen. Wir sind am Ende dann doch Gewohnheitstiere. 😅


14. Mach dich schick (wenn du möchtest)

Ich persönlich liebe es, mich für Konzerte schick zu machen. Das finde ich insbesondere eine Respekterweisung dem Publikum gegenüber. Ich möchte den Moment des Konzerts wertschätzen, so gut wie ich kann. In der Regel schminke ich mich nicht, also macht mir das Vorbereiten vor dem Auftritt doppelt Spaß. Der Grund, warum ich so darauf achte, rührt von einem legendären Auftritt im Jahr 2006 her. Darüber muss ich auch mal schreiben… Konzerte haben für uns mittlerweile etwas Heiliges bekommen, gerade auch, weil sie jetzt so selten sind. Umso mehr, lasst uns den schönen Anlass feiern, lasst uns diesen Moment aufleben, so hoch es geht!


15. Achte darauf, wie du mit dir selbst sprichst

Musst du dich innerlich und gedanklich beruhigen oder bist du vor dem Konzert damit beschäftigt, dich selbst zu »pushen«? No judgement here, bitte tu', was immer gut für dich ist, aber habe ein Bewusstsein dafür. Gerade bei den Gedanken ist es wichtig, voll und ganz auf dich zu hören und auf das, was du brauchst. Bei meiner Klavier-Zwischenprüfung saß ich im Flur vor dem Prüfungsraum und wartete darauf, aufgerufen zu werden. Ich war 22. Neben mir saß eine 17-jährige mit ihrer Mutter. Sie war sehr aufgeregt, fast noch mehr als ich. In dem Moment sagte ich zu dem Mädchen, ohne, dass ich wusste, wo es hergekommen war: »Wir haben viel geübt und uns für diese Prüfung vorbereitet. Das wird sich im Moment des Auftritts zeigen, egal, was passiert.« Dieser Gedanke entspannte mich sofort. Ich schaffte diese Prüfung. Es ist ein wichtiger Gedanke, ich möchte ihn dir heute auch mitnehmen. Vergiss nie, wieviel du in deinem Leben schon geübt hast. Das ist nicht weg.


16. Sei zeitig vor Ort da

Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, und in der Regel machen das die meisten: viel Vorlauf vor einem Konzert erleichtert im Nachhinein vieles. Je früher ich am Ort ankomme, desto mehr Pausen habe ich später. Zu knapp – keine Pausen für mich (als Erinnerung: wenn die Kollegen Pause haben, muss ich in der Zeit mein Cembalo stimmen…). Zeitiges ankommen ermöglicht manchen sogar, auf dem Absatz kehrtzumachen, weil sie ihr Instrument zuhause liegen gelassen haben. Konkret das Instrument zu vergessen kann mir zum Glück nicht passieren, dafür habe ich schon alles Mögliche liegen gelassen: Konzertkleidung, Noten und auch Schuhe 🙈


17. Packe dir Snacks und Wasser ein

Auch wieder etwas, das an Konzerttagen gerne vergessen wird: die Versorgung des leiblichen Wohls. Lege dir am Vorabend ein paar Snacks beiseite, oder vielleicht hast du immer eine Tüte mit Nüssen im Geigenkasten? Achte darauf, genügend Wasser mitzunehmen oder erfahre, welche Möglichkeiten es vor Ort gibt, Wasser zu kaufen. Klingt blöd? Du würdest dich wundern: bei manchen traumhaft abgelegenen Konzertorten gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten, es sei denn, du kannst dich von Marmor und Stuck ernähren (wobei das die Schloss-Stiftung nicht so gerne sehen würde, wenn du da am historischen Boden knabberst 😬).


18. Beweg dich

Um Spannungen auszugleichen, oder mental und körperlich fit zu bleiben, ist Bewegung genau richtig. Das kann Yoga sein, oder Laufen, Schwimmen, Fahrrad fahren, Laufen: alles, wo du deinen gesamten Körper einsetzt. Wenn du den Körper optimal für Musik vorbereiten möchtest, sind die Körperübungen der Resonanzlehre, die sogenannte Klangbewegungen, das beste Mittel, das ich kenne. Viele Musiker, mit denen ich arbeite, haben diese Übungen längst in ihr tägliches Programm aufgenommen und profitieren davon. Gerade an Konzerttagen können solche Übungen ein wichtiger Anker sein (siehe Punkt Nummer 13, Routinen). Wenn wir uns bewegen, können wir nicht mehr so sehr im Kopf sein, mehr noch: wir schaffen die besten Voraussetzungen, um in den Flow zu kommen.


19. Was ist mit den anderen Aktivitäten des Alltags?

Oft ist so ein Vorspiel oder Auftritt eingebettet in eine Reihe von anderen To-Do’s, sei es, weil man Klassenabend hat und am selben Tag noch zur Post muss und seine Schüler unterrichten und noch etwas von der Reinigung abholen, etc. Manchen gibt gerade diese Art von alltäglichen Aktivitäten ein Gefühl für Normalität, es zentriert sie vor dem Konzert. Manche andere widerum bevorzugen es, möglichst wenig neben dem Spielen tun zu müssen und sich vollkommen auf den Auftritt zu konzentrieren. Ich sage nur: Kenne deine Präferenz und bleib dir selbst treu.


Abgebildet ist eine der drei Power-Posen, die Amy Cuddy empfiehlt (siehe Punkt Nummer 20).

20. Probiere das Power-Posing aus

In ihrem mittlerweile weltbekannten TED-Talk (zu Deutsch: Vortrag) spricht sich die Psychologin Amy Cuddy für das Power-Posing aus. Den Begriff prägte sie zusammen mit ihren Kollegen Dana Carney und Andy Yap im Jahr 2010. In ihrer berühmten Studie erforschten sie den Effekt von sogenannten Machtposen auf den Hormonspiegel und die Risikofreudigkeit. Die Studie konnte seitdem nicht reproduziert werden und gilt deshalb als umstritten – doch für unsere Zwecke glaube ich schon, dass die Forschungsergebnisse dieses Trios für uns Musiker von Bedeutung sind. Uns geht es weniger um die akkurate Messung unserer Hormonspiegel und mehr darum, wie wir uns fühlen, oder dass wir uns allgemein besser fühlen. Cuddy empfiehlt in ihrem TED-Talk, vor einem wichtigen Meeting (für uns: Konzert) zwei Minuten lang eine sogenannte Chefpose oder Supermannpose einzunehmen. Ich habe bemerkt, dass da total etwas dran ist – reines subjektives Empfinden. Ich fühle mich danach immer sehr gut. Aber hey, wir sind unsere eigenen Forscher, deshalb kann ich dich einfach nur dazu einladen, dein eigenes Experiment dazu aufzustellen, um souveräner und freier aufzutreten. Und gib gerne Bescheid, nachdem du es probiert hast. Es würde mich sehr interessieren.


21. Unternimm etwas, das dir Freude bereitet

Das kannst du sowohl vor als auch nach dem Auftritt einplanen: eine Aktivität, die dir eine Riesenfreude macht. Früher, vor jeder Klavierprüfung in Barcelona, bin ich morgens aufgestanden und habe mir mein damaliges Lieblingsfrühstück zubereitet: Thunflischbrötchen mit Frischkäse, und dazu habe ich mir meinen Lieblingsfilm angemacht (den ich schon bestimmt 20 Mal geschaut habe): Vier Hochzeiten und ein Todesfall. So fing der Tag entspannt und fröhlich an, und vor allem bei diesem Film bekam ich immer gute Laune. (Wichtig, wenn man mega mit Lampenfieber zu tun hat!) Wenn es morgens nicht reinpasst, weil du zu früh raus musst, kannst du das ja für abends reservieren. Hauptsache, du kannst dir eine gute Belohnung geben, weil du soooo gut warst und sooo viel für dieses Konzert gearbeitet hast. Du verdienst es!






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