Was Salsa Tanzen mit Musizieren zu tun hat


Eine kleine Inkognito-Mission

Im April war ich zum ersten Mal beim Salsa Tanzen, draußen in Berlin, am Wasser. Unterricht in Salsa hatte ich noch nie davor gehabt. Aber ich kann meine Hüften bewegen und unrhythmisch bin ich ja auch nicht. Ich tanze regelmäßig Swing (Lindy Hop, Collegiate Shag und Balboa) und kann sehr gut folgen, bin in den fortgeschrittenen Klassen. Also sage ich Ja, als mich eine Freundin vom Swing fragt, ob ich mitkommen will. In der Sonne nett Salsa tanzen – warum nicht?

Eine kleine Inkognito-Mission. 😎

Ich komme also mit meiner Freundin dort an – und werde prompt aufgefordert. Und dann mache ich, ohne es zu wollen, gleich denselben Fehler wie ich vor einem Jahr beim Swing gemacht hatte: Ich sage dem Leader, dass ich Anfängerin bin. 😱 (Wobei das eigentlich meint, dass ich keine Salsa Tanzfiguren kenne. Tanzen kann ich. Aber jeder hört ja bekanntlich das, was er zu hören bereit ist…)


Menschen tanzen Salsa im Freien


Dass es ein Fehler war, merke ich nach kurzer Zeit. Der Tanz wird schnell etwas... eintönig. In seinem Kopf muss es sicherlich die ganze Zeit rattern: “Oh, was soll ich jetzt mir der machen, die kann ja nichts??” oder “Oh, ich darf sie nicht überfordern”. Auf jeden Fall passiert wenig Kommunikation im Tanz, was eigentlich schade ist. Er probiert eine bestimmte Figur aus. Ich folge, tanzwütig wie ich bin, und trete an die falsche Stelle. Er probiert immer und immer wieder dieselbe Figur. Kapiere ich nicht. Dann versucht er mir, zu erklären, wohin ich bei der Figur treten sollte, aber ich verstehe es nicht. Non Kapito. Wir quälen uns weiter durch das Lied – trotzdem freue ich mich. Tanzen ist immer noch Tanzen. Mir ist eh alles egal, ich habe keinerlei Anhaftung an mein Salsa Tanzen. Zu allem Überfluss sagt er irgendwann:

“Jetzt sind wir nicht mehr im Takt.”

(Und ich denk mir so: Oh, oh... Du sagst einer Musikerin, dass sie sich nicht im Takt bewegt? 😅 Geht gar nicht 😂)

Und ich weiß aber, wir sind sehr wohl im Takt, das sage ich ihm auch. Da der Bass nur Synkopen macht, fühlt es sich für den Laien so an, als würde er neben dem Takt tanzen. Ja, das kann sich so anfühlen, wenn der Lautsprecher etwas zu weit weg ist und man die Musik sowieso nicht so gut hört. Und in der herrlichen Vielfalt der Salsa-Percussion kann der Bass schon mal untergehen. Mein geschultes Ohr weiß aber jederzeit, wo ich im Tanz bin. Ob auf der 1, der 5 oder der 8. Das ist mein Leben als Cembalistin: den anderen wortwörtlich den Takt anzugeben.

Was ich aber nicht sehr gut schaffe, ist mich neben der Musik zu bewegen, nur weil ein Leader das so anzeigt. Da bin ich einfach viel zu wild. Ich bewege mich immer zum Takt – auch wenn ich die Figuren nicht kenne.


Tanzen und Musizieren – was ist deren Essenz?

Was also ist Tanzen? Sich zum Rhythmus und zum Puls der Musik bewegen, oder Tanzfiguren abarbeiten?

Selbes könnten wir über das Musizieren sagen: Was ist Musik? Ist Musik die Noten – oder der Puls, der lebendige Rhythmus, und das, was zwischen den Noten passiert? Die richtigen Noten spielen kann jeder lernen, ohne daraus Musik zu machen. Sie zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verbinden, das in sich lebendig ist und pulsiert – das ist Musizieren.

Das wissen wir, glaube ich, alle. Doch genauso wie bei diesem Tanzbeispiel können wir uns als Musiker ganz schön im Wege stehen, um das umzusetzen. Drücken wir wirklich aus, wie wir die Musik fühlen? Was für vorgefertigte Annahmen haben wir, dass unser Stück sich so oder so anzuhören hat? Wer sagt das? Und woher kommt das? Fühlen wir, dass es für uns auch stimmt? Oder arbeiten wir einfach nur unsere “Floskelchen” ab und unsere vorbereitete Version von dieser Musik, ganz nach den Wünschen oder dem Gefühl von jemand anderem? Vor allem finde ich interessant, aus welchem Platz in uns wir musizieren. Aus dem Kopf, dem Körper, aus dem Herzen heraus? Viele behaupten, dass sie aus dem Herzen heraus musizieren – für mich kommt es bei manchen gefühlt eher aus dem Kopf. Viel fühlen heißt nicht automatisch viel ausdrücken.

Musik ist ein Gespräch – zwischen mir und meinen Mitspielern, aber auch zwischen mir und meinem Publikum. Selbst, wenn das Publikum nichts akustisches zum Austausch beiträgt – gute Performer nehmen ihr Publikum mit, beziehen es ein. Es ist ein Hin- und Her, eine Konversation. Kommunikation: das ist Musik.


Menschen tanzen im Freien


Ich schaue ihn an und zähle den Takt vor, wie er gerade in der Musik vorkommt: “1, 2, 3 – 5, 6, 7 –”. Seine Augen weiten sich: “Ach so! Äh, ja cool.” Lächelt. Wir fangen wieder an. Wir sind zusammen und mit der Musik. Jetzt spürt er es auch. Wir kommen wieder in den Groove. Manchmal fragt er mich: “Sind wir noch im Takt?” – “Ja”. Wir tanzen das Lied bis zum Schluss. Auf einmal ist es angenehm miteinander geworden.

Danach tanzt er noch zwei weitere Lieder mit mir, probiert Dinge aus. Ich verstehe nicht alles, aber es ist mir egal. Ich merke auch, es ist ihm mittlerweile ebenfalls egal. Wir haben einfach Freude am Tanzen, an der gemeinsamen Bewegung. Wir folgen dem Takt, dem Bass, der Percussion. Spüren die Sonne auf der Haut und nehmen die anderen Paare um uns herum wahr. Wir fließen mit der Musik und tanzen aus dem Herzen heraus, im Versuch, ein Gespräch ohne Worte zu führen.




Fünf Wege zum Flow





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